Verabschiedung von Thomas Mantarlis aus dem Stadtrat

27. Juni 2022

Im Rahmen der Jubilar-Veranstaltung wurde der Abschied von Thomas Mantarlis aus den Schwabacher Stadtrat gebührend nachgeholt. Der Fraktionsvorsitzende Werner Sittauer hielt eine heitere Laudation:

Fast alles, was ich über Thomas sagen kann, habe ich erzählt, als wir ihm den Kultursonderpreis der SPD 2020 verliehen haben: Wir ehren heute einen viertelarmenischen Griechen, der in fast 50 Jahren ein immer junger alter Schwabacher geworden ist.

Etwas ist mir aber doch noch im Nachhinein aufgefallen: Unser Thomas ist ein Hochbegabter darin, auf schwankenden Wegen über schräge, unerwartete Einstiege auf Ziele zuzulaufen, die er gar nicht kennt – und wenn er dort ist, kann sich in der Rückschau einschließlich ihm selbst keiner mehr vorstellen, wie sein Lebensweg folgerichtiger hätte verlaufen können.

Eigentlich wollte er nie auswandern, und bis heute wird man ihn als einen Angehörigen der inneren Remigration bezeichnen können. Aber als er seine Mittlere Reife hat, holen ihn seine Eltern nach Deutschland. Praktisch ohne zunächst ein Wort Deutsch zu können absolviert er eine Lehre und wird schließlich gar Meister für Garten- und Landschaftsbau mit dem Hinweis an seine Prüfer, er sei ja eben in Garten und Landschaftsbau, nicht in Deutsch zu prüfen. Ein sachdienlicher Hinweis, an den sich mancher heute, wo ein Viertel unserer Bevölkerung eine ähnliche Vita hat wie Thomas, durchaus erinnern sollte.

Dieser Hintergrund hat ihn in die Politik gebracht, und er wurde der erst zweite Vorsitzende unseres Ausländerbeirats, heute Integrationsrat, und blieb das für ein Jahrzehnt. Dort hat er viel bewegt, uns Altschwabacher*innen gelegentlich ganz schön aufgemischt – und nicht nur uns: Das bloße Beiraten war sein Ding nicht, und so zog er mit der von ihm mitgegründeten AGABy mit einer Popularklage vor den Verfassungsgerichtshof, um gegen die Diskriminierung von Nicht-Deutschen bei Kommunalwahlen zu streiten.

Folgerichtig hat er – seit 1988 Genosse - für unsere Partei für den Schwabacher Stadtrat kandidiert und uns, nein alle Schwabacherinnen – da hat er auch Nicht-Griechinnen generös integriert – von 2001 bis 2022 im Schwabacher Stadtrat vertreten. Neben seinem angestammten Fachgebiet – alles was grün ist – war er dort auch mit großem Erfolg als Geheimwaffe zur Desinformation des politischen Gegners eingesetzt: Mit lautstarken, fast immer witzigen, manchmal ganz dezent beleidigenden Zwischenrufen brachte er Redner anderer Fraktionen mindestens aus dem Konzept, manchmal auch zur Weißglut. Und sein diabolisches Grinsen ließ ahnen, wie sehr er sich schon darauf freute, das after work im Biergarten ausgiebig zu besprechen.

Überhaupt, der Biergarten war sein Revier, egal, ob’s ein öffentlicher war oder der in seinem Garten: Mit seiner lauten, dunklen Stimme unterhielt er alle mit Geschichten aus einem bunten, anekdotenschweren Leben, und eine mitschwingende Ahnung vom heiteren Balkanleben machte auch manche allzu fränkische Belanglosigkeit unterhaltsam.

Wieso kann der das? Warum ist der so eine Rampensau? Nach Beruf und Politik kommen wir zu einem weiteren schrägen Einstieg, dem in die Künstlerlaufbahn. Thomas‘ Konservatorium waren die Straßen seines griechischen Heimatdorfes und die Soldatendisco in Roth.

Aus der Heimat hat er den Rembetico mitgebracht, in dem viele den Blues Griechenlands sehen, und mit seiner Band I Fili hat er sich immer weiter von dem, was wir Deutschen für griechische Volksmusik halten, entfernt und ist Erzähler seiner Geschichten und Komponist seiner Lieder geworden. Das dürfen wir Schwabacher*innen, zum Beispiel an lauen Nächten im Stadtpark, genießen, weil er halt auch einer von uns ist, aber es hat ihn auch mit internationaler Wahrnehmung auf die Bühnen des Bardentreffens oder – vom BR übertragen - des Münchener Gasteig geführt.

Jetzt werdet ihr fragen: Ja wenn’s dem hier so gut geht, wenn er in der Fraktion so eine zentrale Rolle gespielt hat – wieso hört der denn dann auf?

Ja weil er halt mal wieder Lust auf was anderes hat. Und deswegen ist er jetzt der rote Chef der grünen Friedhöfe Schwabachs – und mit einem Vollzeit-Job bei der Stadt kann man sich halt nicht gleichzeitig am Feierabend dienstherrlich beaufsichtigen. Aber warum, fragt ihr, geht so eine Rampensau jetzt auf den Friedhof?

Ja, er schlägt mal wieder einen Haken. Aber was er dort wirklich will, das kann ich euch sagen – besser der Wolfgang Ambros:

„Es lebe der Zentralfriedhof,
die Szene wirkt makaber,
de Pfarrer tanz'n mit de Hurn
und Judn mit Araber.
Heut san alle wieder lustig,
heut lebt alles auf.
Im Mausoleum spielt a Band
die hat an Wahnsinns-Hammer drauf.
Es lebe der Zentralfriedhof,
mit allen seinen Toten …“
(©Wolfgang Ambros/Liedtext "Es lebe der Zentralfriedhof)
Als Bandleader scheint er da also nicht ganz falsch zu sein, und wie ich so höre, folgt er mit seinen Umgestaltungsplänen noch einem anderen Österreicher: Was, fragt André Heller, ist der Unterschied zwischen Graz und dem Zentralfriedhof? – Der Zentralfriedhof ist lebendiger! Zeit wird’s also, dass wir mit der Innenstadterneuerung vorankommen, damit wir mit dem neuen Friedhofschef mithalten können! Lieber Thomas, vielen Dank für alles Vergangene, viel Erfolg bei allem Neuen – und bleib bei uns!

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